8.1.3 Tun-Ergehen-Zusammenhang

Die Irrlehre des Tun-Ergehen-Zusammenhangs basiert auf dem Glauben, dass Gott gute Taten unmittelbar belohnt und schlechte unmittelbar bestraft, dass es also guten Menschen gut und schlechten Menschen schlecht geht. Der Menschensohn Jesus von Nazareth lehrt nichts dergleichen. In seiner berühmten Bergpredigt heißt es kurz und knapp: „Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute, und er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte.“ Damit ist alles gesagt. Naturereignisse geschehen unabhängig von unseren Taten. Jesus weist auch an anderen Stellen auf den fehlenden Zusammenhang zwischen Sünde und Bestrafung hin. Als er und seine Jünger an einem Mann vorbeikommen, der blind geboren war, fragen diese: „Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?“ Doch Jesus antwortete: „Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern.“ Außerdem wird in den Evangelien folgende Begebenheit berichtet: „Zur gleichen Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte. Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt. Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem? Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“

Die krampfhafte Suche nach persönlicher Schuld ist auch im Buch Hiob präsent, dem Mustertext für die Behandlung des Problems der Theodizee (der Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt). Nachdem der gottesfürchtige Hiob allerlei ‚Hiobsbotschaften‘ über den Verlust seines Vermögens und seiner Angehörigen ertragen musste, klagt er Gott wegen dieser (aus seiner Sicht) unverdienten Schicksalsschläge an: „Einen Bund schloss ich mit meinen Augen, nie eine Jungfrau lüstern anzusehen. Was wäre sonst mein Teil von Gott dort oben, mein Erbe vom Allmächtigen in der Höhe? Ist nicht Verderben dem Frevler bestimmt und Missgeschick den Übeltätern? Sieht er denn meine Wege nicht, zählt er nicht alle meine Schritte? Wenn ich in Falschheit einherging, wenn zum Betrug mein Fuß eilte, dann wäge Gott mich auf gerechter Waage, so wird er meine Unschuld anerkennen. Wenn mein Schritt vom Wege wich, mein Herz meinen Augen folgte, an meinen Händen Makel klebte, dann esse ein anderer, was ich säe, entwurzelt werde, was mir sprosst. […] Gäbe es doch einen, der mich hört. Das ist mein Begehr, dass der Allmächtige mir Antwort gibt!“

Hiob sucht Rat bei seinen Freunden. Diese versuchen ihn davon zu überzeugen, dass die Schuld bei ihm liegen muss, und wollen ihn zu einem entsprechenden Bekenntnis zu bewegen. Die Gesprächspartner steigern sich immer weiter in ihre Positionen hinein und reden so immer mehr aneinander vorbei, bis sie sich am Ende nichts mehr zu sagen haben. Schließlich erhält Hiob aber dann doch eine Antwort von Gott höchstpersönlich: „Wer ist es, der den Ratschluss verdunkelt mit Gerede ohne Einsicht? Auf, gürte deine Lenden wie ein Mann: Ich will dich fragen, du belehre mich! Wo warst du, als ich die Erde gegründet? Sag es denn, wenn du Bescheid weißt. […] Willst du wirklich mein Recht zerbrechen, mich schuldig sprechen, damit du Recht behältst? Hast du denn einen Arm wie Gott, dröhnst du wie er mit Donnerstimme? So schmücke dich mit Hoheit und mit Majestät und kleide dich in Prunk und Pracht! Lass die Fluten deines Zornes sich ergießen, schau an jeden Stolzen, demütige ihn! Schau an jeden Stolzen, zwing ihn nieder! Zertritt die Frevler auf der Stelle! Verbirg sie insgesamt im Staub, schließ sie leibhaftig im Erdinnern ein! Dann werde auch ich dich preisen, weil deine Rechte den Sieg dir verschaffte. […] Da antwortete Hiob dem Herrn und sprach: Ich habe erkannt, dass du alles vermagst; kein Vorhaben ist dir verwehrt. Wer ist es, der ohne Einsicht den Rat verdunkelt? So habe ich denn im Unverstand geredet über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind. Hör doch, ich will nun reden, ich will dich fragen, du belehre mich! Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche.“