Entstehung und Verbreitung

[BILD]: Heinrich VIII

Obwohl die „Church of England“ erst im Jahre 1534 durch Heinrich VIII. gegründet wurde, betrachten Anglikaner ihre Kirche nicht als ein Produkt der Reformation, sondern führen sie auf die Anfänge des Christentums im ersten Jahrhundert zurück und sehen sie somit in der apostolischen Sukzession stehend. Tatsächlich dürften nach der römischen Invasion Britanniens im Jahre 43 n. Chr. dort bald auch erste christliche Gemeinden entstanden sein. Sicher ist, dass bereits im Jahre 314 britische Bischöfe am Konzil von Arles teilnahmen. Im Jahre 596 schließlich erreichte der Mönch Augustinus (nicht zu verwechseln mit Augustinus von Hippo) auf Geheiß Papst Gregors I. als Missionar die Britischen Inseln und wurde 601 der erste Erzbischof von Canterbury. Bis heute schwören die Erzbischöfe von Canterbury ihren Amtseid auf das Evangeliar, das Gregor damals sandte.

Die eigentliche Geschichte der Anglikanische Kirche beginnt, wie bereits erwähnt, mit Heinrich VIII. Dieser hatte 1521 das theologisches Traktat Assertio Septem Sacramentorum (Verteidigung der sieben Sakramente) veröffentlicht, in dem er sich von der beginnenden deutschen Reformation distanzierte. Er verteidigte hier sowohl die Vorrangstellung des Papstes als auch den sakramentalen Charakter der Ehe. Dass er 13 Jahre später mit dem Papst (Clemens VII.) brach, weil sich dieser weigerte, Heinrichs Ehe mit Katharina von Aragon zu annullieren, gehört zu den großen Ironien der Kirchengeschichte. Papst Leo X. (1513-1521) hatte Heinrich als Anerkennung für dessen Widerstandes gegen Luther den Titel Defensor Fidei (Verteidiger des Glaubens) verliehen, Papst Paul III (1534-1549) schließlich exkommunizierte ihn. Bis heute sind die englischen Monarchen die Oberhäupter der Kirche von England und tragen den Titel Defender of the Faith.

Mit der Ausbreitung des britischen Empires in den kommenden Jahrhunderten verbreite sich auch die anglikanische Kirche in der gesamten Welt. 1867 rief der Erzbischof von Canterbury erstmals alle anglikanischen Bischöfe zur Lambeth Conference zusammen. Bei diesem Treffen entstand die heutige Anglikanische Gemeinschaft, in der die Kirche von England lediglich eine von insgesamt 46 Provinzen bildet. Die Lambeth Conference findet seither alle zehn Jahre unter Leitung des Erzbischofs von Canterbury statt, der als primus inter pares anerkannt wird, jedoch keine Befugnisse innerhalb der (unabhängigen) Provinzen hat. Die Anglikanische Gemeinschaft ist somit keine eigene Kirche, sondern eine Gemeinschaft sich selbst verwaltender Kirchen.

Heute gehören etwa 85 Millionen Menschen zur Anglikanischen Gemeinschaft, mehr als die Hälfte von ihnen lebt in den ehemaligen britischen Kolonien Afrikas.