7.1.2. Innerprotestantische Ökumene

Unter den drei großen Konfessionsfamilien ist der Protestantismus diejenige, die auch untereinander in viele einzelne Gruppen aufgeteilt ist. Es ist daher verständlich, dass ökumenische Bestrebungen zunächst innerhalb dieser Familie entstanden sind, bevor man sich an die familienübergreifenden Projekte wagte. Die Unionsbewegung innerhalb der deutschen Kirchen zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde bereits angesprochen (siehe IV.1.5)

1846 wurde in London die Weltweite Evangelische Allianz gegründet, die heute über 600 Millionen Mitglieder umfasst. Bei der Gründungsversammlung nahmen knapp 1000 Angehörige von 52 protestantischen Kirchen aus 12 Staaten teil, wobei die überwiegende Mehrheit (über 80%) aus Großbritannien stammte. Man verständigte sich auf folgende Punkte als gemeinsame Basis des Glaubens:

  1. The Divine inspiration, authority, and sufficiency of the Holy Scriptures.
  2. The right and duty of private judgment in the interpretation of the Holy Scriptures.
  3. The Unity of the Godhead, and the Trinity of the persons therein.
  4. The utter depravity of human nature in consequence of the Fall.
  5. The incarnation of the Son of God, his work of atonement for the sins of mankind, and his mediatorial intercession and reign.
  6. The justification of the sinner by faith alone.

 

The work of the Holy Spirit in the conversion and sanctification of the sinner.

  1. The immortality of the soul, the resurrection of the body, the judgment of the world by our Lord Jesus Christ, with the eternal blessedness of the righteous, and the eternal punishment of the wicked.
  2. The divine institution of the Christian ministry, and the obligation and perpetuity of the ordinances of Baptism and the Lord’s Supper.

 

Die aktuelle Fassung (2018) der Deutschen Evangelischen Allianz, die sich 1851 gründete, lautet:

Wir glauben an den dreieinen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er hat die Welt erschaffen, er liebt sie und erhält sie. Darin zeigt er seine Souveränität und Gnade.

Der Mensch besitzt als Ebenbild Gottes eine unverwechselbare Würde. Er ist als Mann und Frau geschaffen. Er ist durch Sünde und Schuld von Gott getrennt.

Jesus Christus, der Mensch gewordene Sohn Gottes, ist stellvertretend für alle Menschen gestorben. Sein Opfertod allein ist die Grundlage für die Vergebung von Schuld, für die Befreiung von der Macht der Sünde und für den Freispruch in Gottes Gericht.

Jesus Christus, durch Gott von den Toten auferweckt, ist der einzige Weg zu Gott. Der Mensch wird allein durch den Glauben an ihn durch Gottes Gnade gerecht gesprochen.

Durch den Heiligen Geist erkennen Menschen Gott. Der Heilige Geist schafft durch die Wiedergeburt neues Leben und befähigt die Gläubigen, nach Gottes Willen zu leben. Er schenkt ihnen Gaben zum Dienen.

Jesus Christus baut seine weltweite Gemeinde. Er beruft und befähigt die Gläubigen, das Evangelium zu verkündigen und liebevoll und gerecht zu handeln.

Jesus Christus wird für alle sichtbar in Macht und Herrlichkeit wiederkommen, die Lebenden und die Toten richten und das Reich Gottes vollenden. Er wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.

Die Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, ist Offenbarung des dreieinen Gottes. Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung.

 

Die evangelische Allianz versteht sich seit jeher nicht als Kirchengemeinschaft, sondern als ein Bündnis von Einzelpersonen. Die innerprotestantische Kirchengemeinschaft wurde, zumindest für Europa, im Jahre 1973 erreicht, als Vertreter unterschiedlicher reformatorischer Kirchen auf dem Leuenberg bei Basel die Leuenberger Konkordie unterzeichneten (siehe Quelle). In dieser Konkordie wurden die Lehrunterschiede zwischen den reformatorischen Kirchen für beendet erklärt, jedenfalls in dem Sinne, dass sie nicht mehr kirchentrennend sind. 2003 benannte sich die Leuenberger Kirchengemeinschaft in Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) um. Mittlerweile gehören 105 Kirchen aus nahezu allen Ländern Europas zu dieser Gemeinschaft. Dennoch lehnen einige Kirchen die Mitgliedschaft nach wie vor ab, unter anderem die Baptisten, die auf ihrem Taufverständnis beharren, und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, die ihr Abendmahlsverständnis nicht aufgeben will.

Ihr Kirchenverständnis beschreibt die GEKE wie folgt:

„Die ‚Leuenberger Kirchengemeinschaft‘ wurde möglich, weil die reformatorische Theologie zwischen dem Grund, der Gestalt und der Bestimmung der Kirche unterscheidet. Der Grund der Kirche ist das Handeln Gottes zur Erlösung der Menschen in Jesus Christus. Subjekt dieses Grundgeschehens ist Gott selbst, und folglich ist die Kirche Gegenstand des Glaubens. Weil Kirche Gemeinschaft der Glaubenden ist, gewinnt ihre Gestalt geschichtlich vielfältige Formen. Die eine geglaubte Kirche (Singular) ist in unterschiedlich geprägten Kirchen (Plural) verborgen gegenwärtig. Die Bestimmung der Kirche ist ihr Auftrag, der ganzen Menschheit das Evangelium vom Anbruch des Reiches Gottes in Wort und Tat zu bezeugen. Für die Einheit der Kirche in der Vielfalt ihrer Gestalten genügt es, ‚daß da einträchtig nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden‘ (Augsburger Bekenntnis, Artikel 7).“