3.1.1 Altes Testament

Das mosaische Gesetz besteht aus 365 negativen und 248 positiven Geboten, also insgesamt 613 Vorschriften. Diese umfassen sowohl moralische als auch bürgerliche und zeremonielle Gesetze, so dass sie alle Bereiche des Lebens abdecken. Eine Unterteilung in mehr oder weniger wichtige Vorschriften findet nicht statt. Das gilt auch für die Zehn Gebote, die aus traditionell jüdischer Sicht nicht wichtiger als alle anderen Vorschriften der Tora sind. Andererseits sind sie es und nicht die übrigen 603 Ge‐ und Verbote, die Gott zum Volk Israel sprach und die Moses auf die steinernen Tafeln schrieb. Und es waren diese Tafeln mitsamt den darauf verzeichneten Worten, die zunächst in der heiligen Bundeslade und später im inneren und heiligsten Ort des Jerusalemer Tempels aufbewahrt wurden. Das verdeutlicht, dass die Zehn Gebote durchaus eine besondere Stellung innerhalb des Gesetzeskompendiums einnehmen. Sie sind gewissermaßen die Überschriften, unter denen alle folgenden Vorschriften aufgezählt werden können. Sie sind die Kategorien, in die sich die weiteren Gebote einordnen lassen.

Auf der ersten Tafel finden sich fünf Gebote, die sich auf das Verhältnis zu unserem Schöpfer beziehen: die Betonung des einen und einzigen Gottes, das Verbot, anderen Göttern zu huldigen, das Verbot, Gottes Namen zu missbrauchen, das Gebot der Heiligung des Sabbats sowie das Gebot, Vater und Mutter zu ehren. Dass sich das fünfte Gebot, die Ehrerbietung gegenüber Vater und Mutter, auf der ersten Tafel findet, hängt damit zusammen, dass die Aufgabe der Eltern, wenngleich natürlich nicht auf einer Ebene, aber doch auf einer Linie mit Gottes Handeln gesehen wird. Sie schaffen Leben und sind im Verhältnis zu ihren Kindern als deren Schöpfer anzusehen. Es geht auf der ersten Tafel also nicht nur um den göttlichen Schöpfer, sondern auch um die menschlichen. Auf der zweiten Tafel sind die Gebote aufgezählt, die sich dem Miteinander der Menschen widmen: Morde nicht; Begehe keinen Ehebruch; Stiehl nicht; Lege kein flaches Zeugnis ab; Begehre nicht deines Nächsten Haus, Hof oder Frau.

Im Alten Testament werden die Zehn Gebote an zwei Stellen erwähnt: Exodus 20,2-17 und Deuteronomium 5,6-21. Trotz gewisser Unterschiede in den Details zeigen beide Versionen keine wesentlichen Unterschiede. Da die Gebote im biblischen Text nicht durchnummeriert sind, haben sich innerhalb der kirchlichen Tradition verschiedene Zählweisen entwickelt. Um exakt 10 Gebote zu erhalten, mussten stets mehrere Gebote zu einem zusammengefasst werden. So betrachten etwa die römisch-katholische als auch die lutherische Tradition das Verbot fremder Götter sowie das Bildverbot als ein Gebot (das erste), während sie die Gebote des Nichtbegehrens am Ende der Liste in zwei aufteilen, was die reformierte Tradition wiederum nicht tut und dafür die ersten beiden Gebote getrennt betrachtet.

 

Ge-/VerbotJudentumAnglikaner, Reformierte, viele FreikirchenRömisch-katholische KircheLutheraner
Selbstvorstellung JHWHs1Präambel11
Fremdgötterverbot21
Bilderverbot2
Namensmissbrauchsverbot3322
Sabbatgebot4433
Elterngebot5544
Mordverbot6655
Ehebruchsverbot7766
Diebstahlsverbot8877
Falschzeugnisverbot9988
Begehrensverbot10109 (Frau)9 (Haus)
10 (Haus und Güter)10 (Frau und Güter)

 

In den Sprüchen Salomos findet sich außerdem folgende Aufzählung:

Sechs Dinge sind dem HERRN verhasst, sieben sind ihm ein Gräuel: Stolze Augen, eine falsche Zunge, Hände, die unschuldiges Blut vergießen, ein Herz, das finstere Pläne hegt, Füße, die schnell dem Bösen nachlaufen, ein falscher Zeuge, der Lügen zuflüstert, und wer Streit entfacht unter Brüdern.